Die Zahl der M&A-Deals im Asset Management stieg von 2017 bis 2018 um fast 20% - und der Trend geht weiter. Die Anzahl der Transaktionen war im Q1/2019 um mehr als 40% höher als in der Vorjahrsperiode. Darüber hinaus haben fast 3‘000 Hedgefonds zwischen Anfang 2015 und Ende 2018 ihre Tätigkeit eingestellt. Haben Anlage- und Vermögensverwalter keine andere Wahl, als zu fusionieren oder zu schliessen?
Zweifellos befinden wir uns in einem schwierigen Markt. Tiefe Zinsen und technologische Fortschritte stellen traditionelle Anlagekonzepte verstärkt in Frage. Zunehmende Komplexität und ein verschärftes regulatorisches Umfeld zwingen Anlage- und Vermögensverwalter zu noch mehr operativer Effizienz. Es verwundert daher auch nicht, dass wir fast täglich mit Investmentmanagern zusammentreffen, die hart darum kämpfen nicht nur Ihre Performance, sondern auch Ihre Kunden zu halten. Ein wesentlicher Punkt wird aus unserer Sicht leider immer noch übersehen und fristet in der Konsequenz im Mix der Möglichkeiten ein verkanntes Schattendasein: die eigene Marke.
Die innere Kraft der eigenen Marke kann identifiziert und wirkungsvoll artikuliert werden. In diesem Artikel zeigen wir die Vorteile eines klar definierten und gut artikulierten Markenauftritts auf. Als Erstes gilt es allerdings zu definieren, was unter einer Marke verstanden wird.
Jedes Unternehmen ist einzigartig
Für Markus Kramer, Partner bei Brand Affairs und Autor von «The Guiding Purpose Strategy, A Navigational Code for Brand Growth» lautet die Definition einer Marke wie folgt: «Eine Marke dient der Differenzierung, schafft Vertrauen, minimiert Risiko und vereinfacht damit die Wahl. Sie schafft Nachfrage durch Begehrlichkeit und steigert die eigene Preiskraft. Dadurch stärkt sie die Loyalität gegenüber allen Stakeholdern und schafft so mit der Zeit einen wirtschaftlichen Wert.»
Was ein Unternehmen wirklich einzigartig macht, ist das Ergebnis einer komplexen Reihe von Aktivitäten; oft tief verwurzelt in seinem kulturellen Umfeld, seinen zugrundeliegenden Wertesystemen, Überzeugungen und seinem Daseinszweck generell (Purpose).
"Profit ist für ein Unternehmen wie Sauerstoff für eine Person. Wenn man nicht genug davon hat, ist man aus dem Spiel. Aber wenn man meint, dass es im Leben nur ums Atmen geht, dann hat man wirklich etwas verpasst.“
Peter Drucker, Management Consultant, Professor und Autor
Wenn Versprechen rein an rationale Differenzierungsmerkmale wie Leistung oder Effizienz gebunden sind, ist zunehmender Margendruck praktisch vorprogrammiert. Leider scheint die Finanzwelt diesen Gedanken weiterhin flächendeckend zu vernachlässigen. Das Identifizieren, Artikulieren, Ausrichten und Kommunizieren der zugrundeliegenden Treiber von Werten, Kultur, Zweck und letztendlich der Marke ermöglicht eine echte Differenzierung und bietet Positionierungs-Optionen jenseits der Rationalität.
Wenn sich Asset Manager ausnahmsweise mit dem Thema Brand beschäftigen, dann hören wir leider viel zu oft Aussagen wie «aber wir haben doch schon ein Logo». Die visuelle Identität bildet selbstverständlich einen integralen Teil einer Marke. Allerdings bildet sie (idealerweise) nur die konsequente Umsetzung einer tiefergehenden Reflektion. Wenn ein Unternehmen eine klare Vision hat, weiss wer es ist, wohin es will und vor allem warum es existiert, dann trägt «Branding» automatisch das innere Wertesystem (Kultur) nach aussen. Leider treffen wir häufig auf Manager, die viel zu spät realisiert haben, dass nachhaltige Markenführung von innen nach aussen funktioniert und nicht umgekehrt. Grafikdesigner werden beispielsweise gebeten einen «Refresh» zu vollziehen, nur um dann nach viel Energie, Zeit und Aufwand festzustellen, dass sich nichts geändert hat. Weder die eigenen Mitarbeiter (interne Ausrichtung) noch weitergehende Interessengruppen (Auftritt nach aussen) wurden effizient eingebunden. So verpufft nicht nur viel vergebene Mühe, sondern meistens auch die Möglichkeit einer Korrektur.
Der Wind dreht nur langsam
Die Finanzindustrie ist mit dem Konzept des «Branding beyond Logo» auch im 21. Jahrhundert noch nicht wirklich auf Tuchfühlung gegangen. In unserer jüngsten Studie, in welcher wir 239 Europäische Asset Manager auf ihre Fähigkeit ESG (Environmental, Social, Governmental) Investments erfolgreich im Markenauftritt zu reflektieren analysiert haben, ist es beispielsweise weniger als 5% gelungen, einen guten «Purpose» zu formulieren. Oder in anderen Worten: das, was ein Unternehmen positiv und gesund am Pulsieren hält, so wie das Schlagen des Herzens uns Leben einhaucht. Noch weniger Unternehmen haben es geschafft, Ihren Daseinszweck (Purpose) an einen übergeordneten, gesellschaftlichen Beitrag zu knüpfen.
“Fast 80% der Vermögensverwalter behaupten, verantwortungsbewusste Investoren zu sein; aber weniger als 2% haben einen Purpose formuliert, der mit gesellschaftlichem Impact in Verbindung steht.”
Responsible Investment Brand Index (RIBI) 2018
Der Finanzsektor stützt sich historisch auf Fakten und Zahlen. Um Entscheidungen zu treffen, ist er es weniger gewohnt, mit Emotionen und Gefühlen zu interagieren. Dennoch treffen Menschen ihre Entscheidungen nicht nur mit dem Kopf: "Keine Emotionen. Keine Entscheidung." Wie die Forschung in der Naturwissenschaft zeigt, basieren Kaufentscheidungen vor allem auf Emotionen. Sie werden durch Fakten und Zahlen zwar argumentiert, begründet und rationalisiert, aber ausschlaggebend für eine Handlung sind Emotionen. Egal ob es dabei um einen Autokauf oder eine gezielte Investition geht.
Welche Vorteile hat eine klar differenzierte und stark artikulierte Marke für Asset- und Wealth-Manager?
Eine Marke hilft bei der Differenzierung. In einer Branche, in der alleine in Europa rund 4’000 Asset Manager um dieselben Kunden buhlen und Kunden wiederum aus mehr als 54’000 Fonds auswählen können, kommt der scharfen Positionierung eine ausserordentliche Wichtigkeit zu.
Wie geht man also vor, um eine starke Marke zu identifizieren und zu artikulieren?
Die Magie liegt in der Methodik
Die Einzigen, welche ihre Firma wirklich von Grund auf kennen, sind oftmals die Gründer oder langjährigen Partner und Mitarbeiter. Jeglicher Support, der zur Markenunterstützung mit einbezogen wird, sollte dieses Verständnis an den Tag legen. Gerade wenn es um die Zukunft geht, ist hier Bescheidenheit und Offenheit angesagt. Eine solide Methodik trägt diesem Umstand Rechnung und baut die interne Stimme sowie die Perspektive und Entwicklung des Marktes als integralen Bestandteil mit in die Entwicklung ein.
Wir beobachten immer wieder Unternehmen, die sich mit viel gutem Willen in ein Markenprojekt stürzen. Es werden Arbeitsgruppen gebildet und Brainstorming-Sitzungen abgehalten. Nach langen Wochen, Monaten oder gar Jahren legt sich der Staub, nur um resigniert festzustellen, dass sich nichts verändert hat.
Ein gutes Branding-Projekt muss durch eine solide Methodik unterstützt werden. Diese muss so konzipiert sein, dass das Ergebnis massgeschneidert, progressiv, praktisch und transformativ ist. Insbesondere sollte sie folgende Aspekte speziell berücksichtigen:
Zu guter Letzt muss eine Methodik effizient zu den Zielen und dem gewünschten Ergebnis führen. Ein Branding-Projekt ist per Definition transversal, was bedeutet, dass viele Parteien involviert sind. Eine Binsenweisheit besagt, dass je schneller man pflanzt, desto schneller kann geerntet werden. Die Komplexität des gegebenen Kontextes führt jedoch nicht automatisch zu einem ebenso komplexen Aufwand von Zeit und Geld. Eine solide Methodik basiert auf bewährten und skalenunabhängigen Frameworks.
Oft liegt die Versuchung nahe, für Branding-Projekte auf Agenturen ausserhalb der Finanzwelt zurückzugreifen. Die Begründung besteht darin, dass eine neutrale Ansichtsweise befruchtend wirkt und das eigene Branding damit fortschrittlicher wird. Dennoch sind Kenntnisse der Branche von Vorteil: sie minimieren die Lernkurve, sorgen für ein besseres Verständnis von Kontext und Zielgruppen und beschleunigen insgesamt ein Projekt enorm.
Legen Sie los!
Auf Schatzsuche nach Ihrer Marke zu gehen bedarf zweifellos sorgfältiger Überlegung. In einem gut durchdachten und strukturierten Markenprojekt wird die Unternehmung auf lange Sicht ausgerichtet und gestärkt. Der Zeithorizont, über welchen eine Markenstrategie einzahlen muss, sollte mit fünf bis zehn Jahren avisiert werden. Richtig geplante und durchgeführte Markenprojekte sind ein wirksames Mittel, um den Wandel der Zeit als Katalysator in die Zukunft zu nutzen und strategische Themen anzupacken, die weit über das Branding hinausgehen.
Bei der Beantwortung der Frage "Haben Vermögensverwalter keine andere Wahl, als zu fusionieren oder sich zusammenzuschliessen?" kann man mit gutem Gewissen sagen, dass die Branche davon profitieren würde, zusätzlich auf modernes Marken-Management zu setzen. Neben der kontinuierlichen Verbesserung der Produkte und der Fokussierung auf Kosteneffizienz, bietet aktives Markenmanagement vorzügliches Möglichkeiten, um Kunden und Talente zu finden, zu binden, Preisstrategien nach oben zu festigen und nachhaltig bessere Margen zu erzielen.
Über die Autoren
Jean-François Hirschel ist Gründer und CEO von H-IDEAS, einem Unternehmen, das darauf abzielt, das Vertrauen in die Finanzwelt wiederherzustellen. Seine fachliche Expertise liegt in der strategischen Positionierung von Finanzdienstleistungsunternehmen auf Marken- und Produktebene. Hirschel hatte leitende Führungspositionen bei Société Générale und Unigestion inne. Er hat einen MSc von der EPFL Lausanne, Schweiz, und verfügt über fundierte Kenntnisse und Erfahrungen im institutionellen, privaten und Retail Banking & Asset Management.
Markus Kramer ist Partner bei Brand Affairs AG, einer auf strategische Positionierung und Markenaufbau spezialisierte Unternehmensberatung in Zürich und London. Zuvor war er in Führungspositionen bei Aston Martin und Harley-Davidson in der weltweiten Strategie- und Markenentwicklung tätig. Er besitzt einen MBA der University of Oxford und ist Senior Fellow für Strategische Markenführung an der Cass Business School in London. Kramer ist Autor des Buches The Guiding Purpose Strategy, A Navigational Code for Brand Growth.
Quellen