Wie Reputationsmanagement Unternehmen helfen kann, neuen Kundenerwartungen zu entsprechen – und eine nachhaltige Nachfrage zu schaffen
Diesen Herbst hat Interbrand die Best Global Brands 2019[1] veröffentlicht, das weltweit renommierteste Ranking der Markenwerte der Big Player. Eine Analyse der interessantesten Entwicklungen zeigt, dass sich der in der Gesellschaft vorherrschende Zeitgeist in einer kritischen Bewertung der Reputation einiger Marken und somit auch in deren Markenwert niederschlägt.
Kundenerwartungen entwickeln sich immer schneller. Das spüren nun auch die ganz großen Marken. An der Spitze des Rankings der wertvollsten Marken der Welt sind zwar noch keine wesentlichen Veränderungen festzustellen. Apple und Google führen im siebten Jahr in Folge das Ranking an, jedoch konnten sie nur noch prozentual einstellig zulegen. Dafür gibt es neben den wachsenden Kundenerwartungen aber weitere Gründe.
Facebook verliert 5,3 Mrd. USD an Markenwert
Interessanter und konkreter wird es, wenn wir uns den ehemaligen Wachstums-Krösus der letzten Jahre genauer anschauen. Facebook ist seit 2012 im Best Global Brands Ranking vertreten und verzeichnete in den folgenden fünf Jahren ein stetiges Wachstum von bis zu 54 Prozent (in 2015). Nun rutscht Facebook 2019 nach einem Rückgang von zwölf Prozent von Platz 9 auf Platz 14 und ist somit nicht mehr unter den Top Ten.
„Offenbar hinterfragen immer mehr Leute den Einfluss, den Facebook als Plattform auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen hat“, sagt Simon Thun, CEO von Interbrand CEE zu dem schwachen Abschneiden des einstigen Shootingstars – und trifft damit ins Schwarze. Die öffentliche Debatte über die gesellschaftspolitische Rolle großer Technologie-Marken wie Google (mit YouTube) und Facebook wird kritischer, die Forderungen nach einer Regulierung werden immer lauter.
Die leeren Versprechen von Facebook und Google
Doch während gerade Facebook beteuert, diesen Forderungen nach strengeren Kontrollen von Inhalten zukünftig vermehrt nachzukommen, sieht die Realität ganz anders aus. Das Monitoring von Facebook findet zwar grafische Elemente wie Hakenkreuze und Runen oder sprachliche Begriffe wie „Ausländer“ und „Heimat“ und kann diese in einen gesellschaftspolitischen Kontext bringen. Der Suchalgorithmus kann aber nicht zwischen den Zeilen lesen. Selbst wenn zweifelhafte Aussagen in kritischen Einträgen elektronisch eruiert und in einem zweiten Schritt von menschlicher Intelligenz geprüft werden, bleibt die schiere Masse an Postings, Kommentaren, Foto- und Video-Uploads weltweit von so immenser Größe, dass eine Kontrolle und Regulierung faktisch einfach unmöglich ist.
Das Auffinden und vor allem auch das Einordnen von beispielsweise Hatespeech in Social Media-Inhalten in allen Ländern und Kulturen der Welt bedürfte einer Armee von neutralen Experten. Da trägt das Einbeziehen der Community, die zweifelhafte Beiträge melden kann, auch nicht wesentlich viel bei, da ihr besagtes Expertentum und die entsprechende Neutralität fehlt. Hier offenbaren Behörden und Politik weltweit eine Naivität, die mit einer ebenso mangelhaften digitalen Kompetenz einhergeht und Experten aus der Digitalbranche schon seit Jahren sprachlos macht.
Facebook und Google/YouTube werden nie und nimmer halten können, was sie versprechen. Und damit sind wir bei dem Reputationsmanagement, wie wir es verstehen, oder eben bei dem diametral entgegengesetzten Verständnis davon. Reputationsmanagement fängt im innersten Kern eines Unternehmens an, nicht erst da, wo Botschaften nach außen getragen werden. Die gute Reputation eines Unternehmens und einer Marke basiert immer mehr auf Glaubwürdigkeit und Authentizität. Als eine der weltweit führenden Markenberatungen mit mehr als 40 Jahren Erfahrung fällt es den Branchenkollegen von Interbrand dann auch nicht schwer, das richtige Fazit zu ziehen. „In einer Welt, in der sich Kundenerwartungen schneller entwickeln als Unternehmen, können Marken nicht länger getrennt von Unternehmen betrachtet werden,“ sagt Charles Trevail, Global CEO von Interbrand. „Mehr denn je werden Marken heute danach beurteilt, was sie tun und nicht nur danach, was sie sagen.“
Hat die deutsche Automobilindustrie den Gong wirklich gehört?
Dieser Widerspruch von Sein und Schein gilt auch für die angeschlagene deutsche Automobilindustrie. Verzeichneten Mercedes-Benz, BMW, VW, Audi, Porsche und MINI in den Jahren zuvor noch Zuwächse von bis zu 18 Prozent, wachsen die Markenwerte der sechs deutschen Automarken mit zwischen neun Prozent (Porsche) und einem Prozent (BMW) durchschnittlich nur noch um fünf Prozent. Volkswagen beispielsweise beteuert zwar, dass der Anteil der Autos mit Elektro-Antrieb in der Flotte bis 2030 auf mindestens 40 Prozent steigen soll, doch dieses Versprechen kommt – mit Verlaub – mindestens zehn Jahre zu spät.[2] In der Zwischenzeit hat die deutsche Automobilbranche ihre Glaubwürdigkeit durch Diesel-Gate und Betrug am Konsumenten verloren und deshalb beim Wachstum des Markenwerts entsprechend eingebüßt.
Die Versprechen der Automobilmarken sind nach wie vor nur Versprechen. Relevante Taten lassen auf sich warten. Noch ist es jedoch nicht zu spät für einen „Reputations-Turnaround“. Um diesen zu schaffen, müssen diese sogenannten „Best Global Brands“ nun aber tatsächlich jeweils zweistellige Milliardenbeträge in die (ihre!) Zukunft investieren, – in die Entwicklung alternativer Antriebsformen, aber auch in die Infrastruktur. Wohlgemerkt pro Jahr, ohne angezogene Investitionsquoten-Bremse! Die geplanten Investitionen der Automobilbranche sind im Verhältnis zu ihren Möglichkeiten und angesichts des Grabens, den sie mindestens zehn Jahre lang entstehen ließ, nur Peanuts. Hier muss nun schnell und entschieden agiert werden. Wird für weitere zehn Jahre nur ausgebessert was vormals verschlafen wurde, kommen zu den großen Investitionen in die Entwicklung auch immer höhere Kosten für den „Reputations-Turnaround“ dazu, der je länger desto schwieriger wird. Denn auch wenn die ersten Schritte getan sind wird die Branche noch lange in der Kritik der Öffentlichkeit stehen, da sie ihren Vertrauensbonus beim Konsumenten längst verspielt hat.
In der Situation von Facebook und YouTube auf der anderen Seite gestaltet sich die Situation noch zerfahrener, da die Evaluation und Kontrolle von kritischen Inhalten und der damit verbunden „Reputations-Turnaround“ wie aufgezeigt Unsummen verschlingen würden. Hier ist es für das Unternehmen wahrscheinlich einfacher und wesentlich günstiger, eine Social Media-Plattform noch möglichst lange „irgendwie am Laufen zu halten“ und sich parallel dazu eine Alternative zu suchen, die über eine (noch!) intakte Reputation verfügt (ein Schelm, wer dabei an Instagram denkt – und die Frage, was kommt als nächstes?).
Was kann gutes Reputationsmanagement leisten?
Aber zurück zu den Schäden, die repariert werden können. Auch das beste Reputationsmanagement der Welt kann eine Wüste nicht in eine blühende Landschaft verwandeln. Es kann aber bei der Priorisierung der Kommunikationsmaßnahmen die den Kundenerwartungen entsprechenden positiven Inhalte herausstellen – und somit gleich in doppelter Hinsicht Unternehmen helfen.
Erstens wird dadurch kommuniziert, dass die Zeichen der Zeit und die Signale aus der Gesellschaft verstanden wurden (in diesem Zusammenhang nimmt der Claim eines anderen in Deutschland auch sehr verbreiteten Automobilherstellers, „Wir haben verstanden“, von 1994 (!) ungewollt selbstironische Züge an). Auch hier müssen jedoch den Botschaften und Claims selbstverständlich belegbare, handfeste Taten folgen.
Zweitens kann eine Kommunikation mit dem Ziel eines zwischenzeitlich erfolgreichen Reputationsmanagements seinen Beitrag leisten, um gleichzeitig echtes, nachhaltiges Reputationsmanagement zu fördern. Die gezielte Kommunikation oben genannter Maßnahmen, wie sie beispielsweise von Volkswagen relativ offensiv vorangetrieben wird, kann einen positiven Impact bei Konsumenten und in der Gesellschaft allgemein bewirken, auch wenn es sich dabei erst mal noch um Peanuts für das Unternehmen handelt. Durch das Aufzeigen der Relevanz dieser Peanuts, dieser Inhalte, und durch die Evaluation des Erfolgs der damit verbundenen Kommunikationsmaßnahmen kann ein Umdenken im Unternehmen vorangetrieben werden. Positives Feedback wird der Unternehmensführung den richtigen Weg weisen, weg von Greenwashing, Zögerlichkeiten und leeren Versprechungen, hin zu Veränderung – und die Unternehmen letztendlich davon überzeugen, aus Peanuts relevante Investitionen zu machen.
Denn eigentlich ist der Hintergrund rein ökonomischer Natur: Die Nachfrage wird mit dem Vertrauen ins Unternehmen und in die Technik wachsen, so wie die Anzahl verkaufter E-Autos mit der Anzahl Ladesäulen wachsen wird. Hier muss der Graben überwunden, das Henne-Ei-Problem gelöst werden, – wenn nicht von der Politik, dann von den Herstellern selbst. Gutes Reputationsmanagement setzt nicht auf Trends um bei den Hipstern dabei zu sein und kurzfristig in einem guten Licht zu erscheinen, sondern um aus Trends nachhaltige Entwicklungen zu formen und eine positive Reputation für das Unternehmen zu gewährleisten. Ist der gute Ruf eines Unternehmens durch Leistung und Investitionen wieder glaubhaft hergestellt, werden eine nachhaltige Nachfrage sowie langfristiger Profit die Folge sein.
[1] https://www.interbrand.com/best-brands/best-global-brands/2019/ranking/
[2] https://www.volkswagen-newsroom.com/de/pressemitteilungen/volkswagen-plant-22-millionen-e-autos-in-zehn-jahren-4750