In einer Zeit, in der das Vertrauen in große Unternehmen auf einem historischen Tiefstand liegt, erleben die Unicorns einen Vertrauenszustrom.
Einblicke und Gedanken von unserem Partner Markus Kramer über Kommunikations-Prinzipien mit einer breiten Anwendung für jeden Marketer, Kommunikationsspezialisten oder Unternehmer. 19. April 2017. © Brand Affairs AG.
Der Marktwert von Tesla hat vor Kurzem denjenigen der Ford Motor Company überholt. Oder anders ausgedrückt: Ein Unternehmen, das kaum ein Jahrzehnt alt ist und 26.000 Autos pro Jahr verkauft, ist mehr Wert als ein Jahrhundert-altes Unternehmen, das jedes Jahr mehr als 3,6 Millionen Kunden rund um den Globus beliefert. Was machen die Neulinge im alten Geschäft? Wie schaffen es diese kleinen, oft im Hinterhof gegründeten Unternehmen, um solche phänomenalen Fortschritte in einem Bruchteil der Zeit etablierter Unternehmen zu erreichen? Wie erlangen diese Firmen einen solchen Einfluss, der teilweise sogar noch grösser ist, als jener etablierter Unternehmen - ohne astronomische Budgets und Heerscharen von Mitarbeitern?
In einer Zeit, in der das Vertrauen in grosse Unternehmen einen historischen Tiefstand erreicht hat, erleben die neuen, privaten Unternehmen mit einem Wert von $ 1 Milliarde oder mehr - die sogenannten Unicorns, oder Einhörner – einen regelrechten Vertrauenszustrom.
In einer Zeit, in der das Vertrauen in grosse Unternehmen auf einem historischen Tiefstand liegt, erleben die Unicorns einen Vertrauenszustrom.
Die Zahl der Einhörner begann ungefähr im Februar 2014 stark zu steigen und behält diesen Trend immer noch bei (wie in Abbildung 1 unten dargestellt). Wenn wir einen genaueren Blick auf die Eigenschaften dieser Unternehmen werfen, erhalten wir einen Einblick, warum immer mehr Konsumenten ihr Vertrauen in diese Unternehmen legen. In einigen Märkten beispielsweise vertrauen die Menschen Uber mehr, als einem traditionellen Taxi-Unternehmen. Dies aufgrund des Modells von Uber mit seiner absoluten Transparenz innerhalb der Wertschöpfungskette. Alles kann mit einer Fingerbewegung erledigt werden und die Kosten betragen lediglich einen Bruchteil dessen, was die Konsumenten mit herkömmlichen Transportmitteln verbinden.
Als Startup kultivierte Unternehmen katapultieren alte Systeme auf neue Ebenen, arbeiten mit einem Vielfachen der Geschwindigkeit von grossen Firmen und denken in völlig neuen Paradigmen. Am entscheidendsten ist vermutlich ihre einzigartige Fähigkeit, den Fokus zu wahren. Dies hilft ihnen dabei, alteingesessenen Spieler zu übertreffen, wenn es um das Vertrauen der Verbraucher und deren Einfluss auf dem Markt geht. Rory Sutherland, Vizepräsident von Ogilvy UK, erwähnte einen ähnlichen Effekt in seiner Rede, als er beschrieb, dass Googles erster Erfolg (bevor die Firma zu dem wurde, was sie heute ist) ebenso psychologisch wie technologisch war. Googles Publikum erhielt das Gefühl, dass sie der Suchmaschine vertrauen konnten, da sich diese ausschließlich auf die Suchergebnisse konzentrierte. Dieser Fokus stand klar im Gegensatz zu anderen grossen Marken, welche ihre Suchmaschinen in Portale verwandelten - wie AOL und Yahoo. Sie versuchten zu viele Dinge gleichzeitig zu sein (Suchmaschine, Wettervorhersage, Nachrichten, Sport, Medien etc.) - und wichen damit von ihrem ursprünglichen Fokus ab. Sutherland erläuterte dieses Problem folgendermassen: „Die Leute glauben, wenn etwas nur eine Sache macht, dass es diese Sache besser machen kann als etwas, das neben dieser Sache auch noch viele weitere Sachen macht. Das nennt man die Verwässerung eines Ziels.“2
Diese starke Beziehung zwischen Fokus und Vertrauen war einer der Hauptgründe, warum Facebook für astronomische Summen Instagram und WhatsApp aufkaufte. Jedem ist bewusst, dass Facebook die nötigen menschlichen, finanziellen und technologischen Ressourcen hätte, um selbst solche Apps zu erstellen. Und doch entschied sich Facebook für den Kauf dieser jungen - und bereits etablierten - Unternehmen. Aber bei diesem Schritt handelte es sich um weit Mehr als die zwei Apps: es ging um die sofortige Gewinnung des Vertrauens der Verbraucher. Denn dieses kann trotz der schier unendlichen Macht von Facebook nicht einfach schnell erstellt und repliziert werden.
Die wachsende Bedeutung des Fokus wurde Facebook noch deutlicher, als die Firma ihre eigene Messenger-App von der allgemeinen Plattform trennte. Obwohl viele User sich vor dem neuen Format sträubten, konnte sich das Unternehmen auf das Vertrauen seiner User verlassen und die Leute trotz des Wandels halten. Es gibt viele Beispiele von Unternehmen denen bewusst ist, dass ein starker Fokus schnell ändernde Zeiten überdauert. In diesem Kontext ist die Lektion klar: Vertrauen gründet auf Fokus.
In diesem Zusammenhang ist die Lektion klar: Vertrauen gründet auf Fokus.
Es ist wichtig sich bewusst zu werden, dass weder das Ausmass, noch überragende Grösse eines Unternehmens dieses auch zum Marktführer macht. Bain & Co analysierte weltweit 45 Märkte und stellte fest, dass die besten Unternehmen - die wirtschaftlichen Führer in ihren Branchen - nicht immer die grössten sind. So sind heute 40% der wirtschaftsführenden Firmen nicht auch automatisch die grössten Unternehmen in ihren Branchen. 3
Um diese Art von Macht und Führung zu erfassen, lohnt es sich das spezifische Geschäftsmodell der Boutique-Marken unter die Lupe zu nehmen. Solche Marken nutzen, im Gegensatz zu den traditionellen Grossen, ein einzigartiges Geschäftsmodell, welches auf organisiertes, vertikales Wachstum abzielt. Zwei gute Beispiele sind Roja Parfums, gegründet vom renommierten Parfümeur und Duft-Historiker Roja Dove und Officina Profumo Farmaceutica Santa Maria Novella. Diese Marken gehören nicht zu den grössten Playern der Parfümindustrie, werden aber als einige der renommiertesten in der Parfüm-Welt anerkannt. Experten auf dem Gebiet swie die wählerische Luxuskundschaft, vertrauen diesen Boutique-Marken weit mehr als den grossen, traditionellen Playern. Diese seien zu sehr damit beschäftigt, sich ein immer noch grösseres Stück vom Kuchen abzubekommen, anstatt ein hochklassiges Parfüm zu erschaffen.
Konventionelle Marken bevorzugen in der Regel horizontales Wachstum, was nicht immer die Vorteile mit sich bringt, welche kleine, aussergewöhnliche Marken geniessen. In der heutigen Zeit könnten grosse Unternehmen davon profitieren, wenn sie von den kleinen, lokalen Boutique-Luxusmarken lernen würden. Der Grund für diese Verschiebung ist, dass Boutique-Marken ihre fokussierten Fähigkeiten besser fördern und schneller voranbringen, als dies grosse Unternehmen können. Sie sind in der Lage, den Entscheidungsprozess mit ihrem Fokus in Übereinstimmung zu halten. Ein kürzlich veröffentlichter Ausblick von 2017 bis 2021 der globalen Luxus-Bekleidung bestätigt zum Beispiel, dass Pure-Play-Luxus-Einzelhändler die führenden Akteure im globalen Markt für persönliche Luxusgüter sind.4
Man kann davon ausgehen, dass sich äquivalente Erkenntnisse in der B2B-Welt machen lassen. Heute schliessen sich eine wachsende Anzahl globaler Unternehmen mit vertrauenswürdigen, kleineren Unternehmen zusammen und bauen ihre Marken aus, indem sie sich auf deren ursprüngliches Handwerk konzentrieren.
Für diese Marken ist die Prognose nicht Vorwärts, sondern Aufwärts.
Im Zeitalter der radikalen und totalen Transparenz basiert das Vertrauen nicht mehr auf der Grösse des Unternehmens, sondern auf den Eindrücken und Meinungen der weltweiten Kundschaft.
Was ist also die entscheidende Lektion, die herkömmliche Unternehmen von kleinen Boutique-ähnlichen Marken lernen können? Die Antwort ist in einem Wort: "Elevationismus". Vertikale Entscheidungsfindung und Priorisierung, Klarheit der Marktpositionierung kombiniert mit einem absoluten Fokus auf starken Vertrauensgewinn. Organisiertes, vertikales Wachstum ist äusserst wichtig für den elevationistischen Ansatz, welcher dem auf klar horizontalem Wachstum ausgelegten Expansionismus gegenüber steht.
Boutique-Marken und einige der fabelhaftesten Einhörner erreichen ein Niveau, auf welchem die Austauschbarbkeit vollständig eliminiert wurde. Für diese Marken ist die Prognose nicht Vorwärts, sondern Aufwärts.
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